
(c) Deutscher Computerspielpreis
Gestern wurde im Münchener Postpalast zum sechsten Mal der Deutsche Computerspielpreis (DCP) verliehen. Einer entsprechenden Einladung der Stiftung Digitale Spielekultur folgend, konnte ich in diesem Jahr der glamourösen Preisverleihung beiwohnen, die nicht nur einen neuen Schirmherren (Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur) hatte, sondern auch einige überraschende Jury-Entscheidungen mit sich brachte.
Der Computerspielpreis zwischen Kultur- und Wirtschaftsförderung
Der DCP fördert, so die Statuten, die Entwicklung “qualitativ hochwertiger, innovativer sowie kulturell und pädagogisch wertvoller Computer- und Videospiele” aus Deutschland. Der mit rund 350.000 Euro dotierte Preis wird je zur Hälfte von der Politik und den Branchenverbänden BIU und G.A.M.E. auf der Grundlage einer unabhängigen Juryentscheidung vergeben.
Damit erfüllt er auf den ersten Blick den (auf einen Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2003 zurückgehenden) Zweck einer Kulturförderung. Gleichzeitig zog sich durch die Grußworte von Alexander Dobrindt und Ilse Aigner hartnäckig das Motiv der Wirtschaftsförderung, vermutlich auch, weil diesen das Bekenntnis zur Games-Branche als “hoch innovative Wirtschaftskraft” (Dobrindt) und “Leitbranche der Digitalisierung” (Aigner) sichtlich leichter von den Lippen ging als eine Würdigung des Computerspiels als Kulturgut. Dabei wurden auch gewagte Vergleiche nicht gescheut: Der DCP sei ein international einzigartiges Förderinstrument, dass auf einer Ebene stehe mit dem Deutschen Filmpreis oder dem ECHO.
Die Wirklichkeit sieht freilich anders aus: Während sich zwar die Umsätze der Games-Branche mit denen der Film- und Musikindustrie messen lassen, hat die Dotierung des DCP nicht in Ansätzen die Ausmaße etwa des deutschen Filmpreises (3 Mio. Euro), geschweige denn der Gesamtheit der Filmförderung der Bundesländer. Dass diese Art der Computerspielförderung im internationalen Vergleich einzigartig ist, mag daher stimmen, lenkt aber letztlich von der (für die deutsche Games-Branche beunruhigenden) Tatsache ab, dass in anderen Ländern wie Kanada, Japan oder Finnland massive Wirtschaftsförderung durch Instrumente wie Steuervergünstigungen und Lohnkostenzuschüsse betrieben wird. Wenn der DCP also überhaupt ein Instrument der Wirtschaftsförderung ist, dann nur für kleinere Entwicklerstudios oder talentierte Nachwuchskräfte (wie die jungen Hamburger Entwickler_innen des Spiels Scherbenwerk, Gewinner von 35.000 Euro in der Kategorie Bestes Nachwuchskonzept). Was also leistet der Preis im Kern?
Peter Tscherne, Geschäftsführer der Stiftung Digitale Spielekultur, brachte es auf den Punkt: Es gehe darum, den kulturellen Stellenwert digitaler Spiele in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu dienen medienwirksame Events wie die gestrige Preisverleihung, dafür arbeitet unermüdlich die Stiftung Digitale Spielekultur und dies motiviert nicht zuletzt die Entscheidungen der DCP-Jury.

(c) Deutscher Computerspielpreis
Die Preisträger_innen
So erklärt es sich auch, warum sich in diesem Jahr das intelligente Point-and-Click-Adventure The Inner World (Studio Fizbin, Headup Games GmbH & Co. KG) als Bestes Deutsches Spiel gegen Crysis 3 durchsetzte oder warum der schlichte, aber äußerst kreative Multiplayer-Mobile-Titel Malduell (Cribster UG) zum Besten Kinderspiel gekürt wurde. Andere Entscheidungen prämierten dagegen stärker Innovation und technische Exzellenz wie etwa die Auswahl von ANNO Online (Blue Byte, Ubisoft GmbH) als Bestes Browsergame oder des studentischen Abschlussprojekts Scherbenwerk – Bruchteil einer Ewigkeit (HAW Hamburg) in der Kategorie Bestes Nachwuchskonzept. Eher irritierend war dagegen die Begründung der Jury, den Preis für das Beste Serious Game in diesem Jahr nicht zu vergeben, da keines der nominierten Spiele die Kriterien der entsprechenden Preiskategorie erfüllt habe (wobei sich die Frage stellt, weshalb sie dann überhaupt erst nominiert worden sind). Dass stattdessen das Interactive Fiction-Experiment The Day the Laughter Stopped (Hypnotic Owl UG), das den Umgang mit sexueller Gewalt aus der Opferperspektive thematisiert, mit einem deutlich niedriger dotierten ‘Sonderpreis’ versehen wurde, erscheint zwar vor dem Hintergrund der (merkwürdig einseitigen) Kategorienbeschreibung konsequent, stellt aber letztlich eine verpasste Chance dar, das Thema (trotz ‘formaler’ Hürden der Preisvergabe) in der angemessenen Weise zu würdigen. Dass dies trotzdem geschah, ist vor allem den Entwicklern von Hypnotic Owl anzurechnen, die statt einer Dankesrede ein eindringliches Plädoyer für ein verändertes gesellschaftliches Bewusstsein für das Thema abgaben.
LARA – Der deutsche Game Award
Neben dem DCP wurden schließlich auch internationale Produktionen gewürdigt: Den deutschen Game Award LARA erhielten u.a. Papers, Please (Lucas Pope) als Bestes Internationales Computerspiel und The Last of Us (Naughty Dog / Sony Computer Entertainment) als Bestes Internationales Konsolenspiel. Naughty Dog’s erfolgsverwöhntes Action-Adventure gewann außerdem den LARA-Publikumspreis. Der LARA of Honor ging in diesem Jahr an zwei Akteure: die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) für ihre 10-jährige Arbeit der Alterseinstufung digitaler Spiele sowie Todd Howard, Executive Producer der Bethesda Game Studios und Verantwortlicher für die Entwicklung der Fallout– und Elder-Scrolls-Reihen.

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Fazit
Die großen Eklats blieben also in diesem Jahr aus. Stattdessen bildete die Gala wieder eindrucksvoll die Bandbreite deutscher Spieleproduktion ab und stellte ein sichtbares Signal für die Anerkennung digitaler Spiele als Kulturgut (und wirtschaftlicher Faktor) dar. Dass es zunehmend auch Politiker_innen gibt, die diese Doppelrolle des Computerspiels erkannt haben und glaubhaft vertreten können, ist eine weitere Erkenntnis des Abends. Während sich die Moderatorin Funda Vanroy und einzelne Laudator_innen eher unbeholfen in Kindheitsanekdoten retteten, hinterließ insbesondere Dorothee Bär, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur, einen äußerst positiven Eindruck. So waren bei der anschließenden After-Show-Party denn auch nur noch wenige kritische Stimmen zu hören, die die zukünftige Vergabe des Computerspielpreises durch den ‘Verkehrsminister’ belächelten – stattdessen scheint Hoffnung zu keimen, dass das Duo Dobrindt/Bär durchaus in der Lage ist, den DCP nicht nur mit Grußworten zu würdigen, sondern ihn auch in der konkreten politischen Arbeit zu vertreten und weiterzuentwickeln.
Hier die Gewinner im Überblick: http://www.deutscher-computerspielpreis.de/gewinner_2014.0.html
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